Nicolaus Heutger - Leben und Werk

 

Nicolaus Heutger ist am 7.1.1932 in Rinteln/Weser als Sohn des Bankdirektors Fritz Heutger und seiner Frau Laura geb. Spanuth geboren. Sein Großvater Albert Spanuth (1867-1939), Superintendent der Grafschaft Schaumburg, hat ihn tief beeindruckt. In der alten Universitäts- und Festungsstadt Rinteln an der Weser besuchte Nicolaus Heutger das Gymnasium Ernestinum. Seine Schulzeit trug noch weithin Züge einer Zeit, die der Rühmann-Film „Die Feuerzangenbowle“ so wunderbar festgehalten hat. 1943 wurde sein Vater ein Opfer des Krieges, einer von 3.000, die an jedem Tage ihr Leben hingeben mußten. Sein einziges Kriegsziel war gewesen, wieder lebend in Rinteln anzukommen. Für seine auf der Krim erlittene Kopfverwundung brauchte er in dem provisorischen Lazarettzug inmitten von Verwundeten des Kuban-Brückenkopfes dringend einen neuen Verband, aber ein schneidiger Stabsarzt dekretierte: „Ihren Verband kann ja noch ein General tragen“. So schaffte es der Obergefreite Fritz Heutger nur noch bis Leipzig.

In dem heimatvertriebenen Schlesier Gerhard Klein (1894-1966), den seine Mutter 1947 heiratete, erwuchs Nicolaus Heutger ein zweiter, liebevoller Vater, der rührend für ihn sorgte. Das Versorgungsamt gab jeden Monat 10 DM zu. 

Schon als Schüler war er ein begeisterter Sammler. Seine Beschäftigung mit Münzen sollte später zu weltweiten Beziehungen führen. Nicolaus Heutger brachte ungezählte Besucher zu den Bauten Rintelns, in die uralte Taufkirche im nahen Exten und zum Weserrenaissance-Schloß Varenholz. Vor kurzem meldete sich bei ihm nach einer Führung durch Rinteln ein alter Herr und sagte: „Vor genau 60 Jahren haben Sie mich als jungen Studienassessor schon mal hier geführt.“ „So, das war doch wohl ein großer Unterschied zu heute?“ „Nein, überhaupt keiner.“

Tiefen Eindruck machte auf den Schüler das gewaltige, hervorragend erhaltene Kloster Möllenbeck, besonders, als 1950 hier Ausgrabungen stattfanden, die er täglich intensiv miterlebte. In den Schulferien suchte der junge Nicolaus mit dem Fahrrad noch bestehende deutsche Klöster auf. Beinahe wäre er Dominikaner-Laienbruder geworden, als ihn 1950 das Dogma von der Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel plötzlich in eine andere Richtung führte.

Nicolaus Heutger studierte nun von 1952 bis 1957 in Bethel, Heidelberg und Göttingen zügig Evangelische Theologie und Altertumswissenschaften. 1959/60 promovierte er mit einer magna cum laude bewerteten Dissertation über die einzigartigen evangelischen Stifte und Klöster in Niedersachsen in Münster zum Doktor der Theologie. Von 1959 bis 1992 war er Pastor in der Hannoverschen Landeskirche. Sein Hauptberuf hatte absoluten Vorrang. Sein im Folgenden angesprochenes zweites Lebenswerk war also, wie ein besonders erleuchteter Göttinger es ausdrückte, “Feierabend-Arbeit”.

Im Jahre 1964 heiratete er die Hannoversche Fabrikantentochter Ursula Reinhard, die ihm von nun an unermüdlich und tatkräftig bis heute zur Seite steht. Sie liebt Menschen, Tiere, Pflanzen und die Musik. Immer wieder betonte N. Heutger dankbar, dass er zu seinem Glück die richtige Frau gefunden habe, die in Freud und Leid für ihn da ist.

Aus dieser Ehe gingen sein Sohn Nicolaus und seine Tochter Viola hervor, die bereits beide intensiv in Lehre, Forschung und Praxis tätig sind. Die gesamte Familie unterstützte ihren Vater mit Freude bei seiner Gemeinde-Arbeit. So war sein Pfarramt Tag und Nacht dienstbereit. In seinen Predigten hielt er sich an Luthers Mahnung: “Tritt frisch auf, tu´s Maul auf, hör´ bald auf.” Zugleich wandte er sich mässig, aber regelmässig kirchengeschichtlicher und religionshistorischer Forschung und Lehre zu. Nicolaus Heutger befolgte dabei ständig den Rat seines Lehrers Hermann Dörries, Abt von Bursfelde: „Der Tag hat 24 Stunden und wenn es nicht reicht, nehmen Sie die Nacht zu Hilfe.“ Seit 1959 trägt Nicolaus Heutger tapfer an der Bechterewschen Krankheit, die er sich als Hilfsgeistlicher in einem feuchten Notquartier zugezogen hatte. Ab 70 merkte man das Fortschreiten des Leidens.

Schon 1968 verlieh ihm die Evangelisch Theologische Fakultät Montpellier ihren Docteur en Théologie, „um die deutsche Wissenschaft zu ehren“, wie es in der Laudatio hieß. Dem interreligiösen Gespräch widmete sich Nicolaus Heutger mit voller Überzeugung: Der Austausch zwischen den Religionen lag ihm besonders am Herzen. In Thailand gelang der Dialog mit der Präsidentin des Buddhistischen Weltbundes, einer thailändischen Königstochter.

Sein für alle offenes Pfarrhaus lud oft zum ergiebigen Gespräch ein. In seinem gastfreien Haus in Nienburg (1961-1982), Hildesheim (1982-1992) oder Hannover (1992 ff.) gingen Besucher aus vielen Ländern ein und aus. Seit 1972 ist N. Heutger Kanonikus h.c. des ältesten niedersächsischen Stiftes, Bassum, gegründet 858. In seinen alljährlichen Seminartagen in der Abtei ist stets jeder Platz besetzt.

Von 1969 bis heute ist er über die führende Zeitschrift money trend weltweit als Münzpublizist tätig. Die Bundesregierung zog ihn als numismatischen Fachpreisrichter heran.

Von 1972 bis 1989 war er Lehrbeauftragter für Religionskunde an der Universität Hildesheim. Nicolaus Heutger trat stets für den christlich-jüdischen Dialog ein und erforschte die jüdischen Spuren in Niedersachsen. 1973 war er auch Stipendiat des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertums-Wissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem, wo er sich besonders mit den Spuren der Kreuzzüge beschäftigte. 1980 arbeitete er an der Aachener Zisterzienserausstellung mit, die weltweites Interesse fand. Von 1983 bis 1995 sprach er jedes Jahr in der Zisterzienser-Sektion des Mittelalter-Weltkongresses in Kalamazoo/USA über die wichtigsten niedersächsischen Zisterzienserklöster, denen er zahlreiche Publikationen widmete, wie z.B. Loccum, Walkenried und Wienhausen. 1991/92 war er Lehrbeauftragter für Geschichte der deutschen Juden an der Hochschule Vechta. Er erforschte auch die Segensgeschichte des evangelischen Pfarrhauses in Niedersachsen, wobei er Überlieferungen seiner Familie nutzte. Ein anderes Werk widmete er Herders Bückeburger Zeit. Als Mitglied der Luthergesellschaft hielt er mit seiner Frau immer wieder Einkehr in Wittenberg. 

Nach seiner Emeritierung 1992 war Nicolaus Heutger Professor für europäische Kultur- und Kunstgeschichte an der Universität von Illinois. Von 1993 bis 2005 lehrte und forschte er dann am Seminar für jüdische Studien der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. Begeistert erzählt er: “Das waren die glücklichsten Jahre meines Lebens.” Seine Lehrveranstaltungen waren stets gut besucht. Den Studierenden war er ein väterlicher Freund und Berater. Zum 70. Geburtstag widmete ihm das Seminar die Festschrift “Die Fülle an Weisheit und Erkenntnis”, die im Oldenburger Universitätsverlag erschien.

1996 war er in den Semesterferien Gastprofesor für Kirchen- und Konfessionskunde an der 1632 gegründeten Universität Tartu/Dorpat, Estland. Seit 1996 ist er Ordenspropst der deutschen Tempelherren und bemüht sich um die religiöse Begleitung der Mitglieder dieses Ordens, dessen Geschichte er intensiv erforschte. 1998 wurde er Kapitulare des 1135 gegründeten Klosters Amelungsborn, dem er im Jahre 2000 eine Monographie widmete. Die Freude seines Alters sind seine Enkel. Der kleine Jakob begeistert sich für die gleichen Münzen und Versteinerungen wie Grossvater und Ururgrossvater. Und die kleine Paula erfreut sein Herz durch ihr anschmiegsames, munteres Wesen.

An seinem 75. Geburtstag, am 7. Januar 2007 gedachten der souveränen, lebensstarken und frohen Persönlichkeit viele Menschen, die von seiner harmonischen Verbindung von 50 Jahren praktisch-theologischer Arbeit, 50 Jahren wissenschaftlichen Mühens und 60 Semestern akademischer Lehre Anregungen empfangen haben.

Bibliographie

 

 

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